Studium in der Fremde, Bachelorarbeit zuhause

Babacar Diop (30) ist in Dakar, der Hauptstadt von Senegal, geboren. Direkt nach seinem Abitur ist er nach Deutschland gekommen, um an der Hochschule Kaiserslautern ein Auslandsstudium zu absolvieren. Seine Bachelor-Arbeit umfasste die Standortplanung für ländliche dezentrale Energieversorgung. Und diese hat er in Senegal absolviert. Wie es dazu kam und was er gemacht hat, erzählt Diop im Interview.

Wie war Ihr Start ins Studium in Deutschland?
Eine hohe Hürde war für mich die deutsche Sprache, mit der ich nie in Berührung gekommen war. Zwei Jahre lang habe ich Deutschkurse besucht, damit ich auf deutsch an der Hochschule Kaiserslautern studieren konnte. Und zwar Logistik am Standort Pirmasens.

Und dieses Studium haben Sie ja erfolgreich abgeschlossen.
Ich habe seit August 2022 meinen Bachelor in Logistics Diagnostics und Design. Derzeit arbeite ich beim Logistik-Riesen Kühne + Nagel (AG & Co.) KG als Trainee. Das Unternehmen ist mit rund 79.000 Beschäftigten in über 100 Ländern vom traditionellen Spediteur zu einem der weltweit führenden Anbieter integrierter Lieferketten in der Seefracht, Luftfracht, im Landverkehr sowie in der Kontraktlogistik gewachsen. Hier dauert das Traineeprogramm 18 Monate und ich werde an drei Standorten jeweils sechs Monate verbringen. Ich werde operativ arbeiten und überdies an jedem Standort ein spezielles Projekt betreuen.

Wie kam es, dass Sie bei dem Logistikprojekt im Senegal mitarbeiten durften? Haben Sie sich aktiv beworben?
Mit Ausbruch der Corona-Pandemie wurde es extrem schwer, Praktikumstellen zu finden. Und es war nahezu unmöglich in Kooperation mit einem Unternehmen eine Bachelorarbeit zu machen. Immerhin gelang es mir, wenigstens ein Praktikum bei der Festo SE & Co. KG. in Rohrbach (St. Ingbert) zu ergattern. Der global tätige Konzern beschäftigt in den beiden Geschäftsbereichen Automation (Automatisierungstechnik) und Didactic (Lernsysteme, Training und Consulting) über 20.000 Mitarbeitende. Dort habe ich mich um Frachtkostenoptimierung aller fünf Wareneingangslager in Deutschland gekümmert. Aber selbst dieser große Konzern konnte mir keine Bachelorarbeit anbieten. Es hätte sich ein Thema finden lassen, aber das sollte sechs Monate dauern, zu lang für eine Bachelorarbeit.

Mit den Profs in Pirmasens haben ich Lösungen erörtert, bis ich auf die Idee kam, in Afrika nach einer Möglichkeit zu suchen. Meine Kontakte in die Heimat habe ich aufleben lassen und das hatte Erfolg. Der kleine Bruder meiner Mutter hat in der Schweiz studiert und eine eigene Firma in Senegal gegründet. Er hat mich dann an DIENG & Co Engineering SAS, ein großes Infrastrukturunternehmen vermittelt. Dieses befasst sich unter anderem mit erneuerbaren Energien: von der Beratung und Planung der Anlagen bis hin zur Lieferung sämtlicher Photovoltaikkomponenten.

Bitte beschreiben Sie kurz das Projekt selbst und seine Ziele.
Ich war während meiner Bachelorarbeit 23 Tage in Senegal und ca. drei Monate im Homeoffice in Deutschland. Meine Aufgabe war die Standortplanung von Regionallagern für dezentrale ländliche Energieversorgung. Diese Lager sollten insgesamt 50 Dörfer mit Solaranlagen versorgen.

Was war Ihre Aufgabe im Projekt?
Ich habe die drei optimalen Standorte für Regionallager gefunden und deren Koordinaten ermittelt. Natürlich steckte dahinter viel Arbeit. Ich habe dafür fast 1000 einzelne Strecken gemessen, das ging nur mit Google Earth, da Urwald herrscht, wo die Regionallager entstehen sollen.

Haben Sie sich vorher schon mit derartiger Vorgehensweise beschäftigt?
Nein, leider nicht wirklich. Aber in meinem Studienfach bin ich exzellent darauf vorbereitet worden, mit solchen unbekannten Fragestellungen umzugehen. In den Fächern Tabellenkalkulation und MINT von Prof. Dr.-Ing. Martin Wölker und Verkehrslogistik von Prof. Dr.-Ing. Liping Chen wie auch Optimierung und Entscheidungsunterstützung von Prof. Dr.-Ing. habil. Alexander Lavrov, hatte ich von ähnlichen Aufgaben schon gehört und diese auch im Studium gelöst. Das dort Gelernte war ausreichend, um erfolgreich an meinem Projekt zu arbeiten.

Wie groß ist Ihre Arbeitsgruppe und womit beschäftigt sich diese?
Ich habe allein gearbeitet. Klar habe ich Hilfe gehabt, falls ich technische Daten verstehen sollte wie z.B. von Batterien usw. Aber ansonsten war ich nur auf mich gestellt.

Wie war die Zusammenarbeit? Haben Sie Freunde gefunden?
Ich war von Montag bis Freitag jeden Tag von 7:30 Uhr bis 17:00 Uhr im Büro: immer der Erste und immer der Letzte. Ich habe so unglaublich viele Informationen gebraucht, um das Projekt zu bearbeiten.

Was hat Sie in Ihrer Zeit in Senegal am meisten beeindruckt?
Die Leute in Senegal verstehen Logistik einfach ganz anders als in Deutschland. Besonders krass ist die Qualität der Straßen und der Zustand der Lkw. Straßenverkehrsverordnung und Ladungssicherheit interessieren keinen auch nur im geringsten. Hauptsache man kommt von A nach B. Traurig, aber wahr. Seit dieser Erfahrung sage ich immer „Wer seine Logistik im Griff hat, hat auch sein Kosten im Griff.“

Was war die größte Herausforderung?
Die Strecken zu finden und Entfernungen zu bestimmen war das größte Problem. Ich musste per Hand in Google viele Wege selbst zeichnen und messen, es waren an die Tausend solcher Strecken Das Problem ist, dass diese Wege kaum befahren sind und deshalb auch in Google Earth nicht gespeichert sind.

Wie klappte das Zusammenwirken von Professoren an der HSKL und Kollegen oder Vorgesetzten bei DIENG & Co?
Super. Meine Erst-Betreuerin war Frau Chen und Zweit-Betreuer war Herr Wölker. Beide waren immer verfügbar und sehr hilfsbereit. Ich war stets mit den beiden im Kontakt.

Natürlich muss man in Deutschland sehr saubere Arbeit leisten, um die Professoren zu überzeugen, aber das habe ich geschafft. Sie waren zwar sehr begeistert, aber ich habe ca. zwei Stunden – von 10:00 bis 12:00 Uhr – gebraucht, um Herrn Wölker vom Thema meiner Bachelorarbeit zu überzeugen, da das Projekt mit Standorten in Senegal sehr außergewöhnlich war. Ich denke, sie waren mit meiner Arbeit schließlich sehr zufrieden.

Was war das Wichtigste, dass Sie in dieser Zeit gelernt haben?
Google Earth war sehr wichtig für mich, wie der Umgang mit Daten insgesamt. Ich habe gelernt, keine Angst vor riesigen Datenmengen zu haben und diese zu analysieren, um Lösungen zu finden. Das war eine große Herausforderung. Dazu kam, dass ich anfangs nicht wusste, wie außerordentlich wichtig das Projekt ist.

Welche Bedeutung für Ihre Zukunft hat dieses Projekt?
Am wichtigsten war das Vertrauen, das man in mich gesetzt hat, in Afrika ein sehr wichtiges Vorhaben zu bearbeiten, das für DIENG & Co Engineering SAS ca. 3,5 Millionen Euro Umsatz bedeutet. Das gibt mir sehr viel Sicherheit für mein zukünftiges Leben. Ich weiß nun ganz genau, dass die Hochschule mich sehr gut vorbereitet hat. Ich muss nur ganz einfach ohne Angst umsetzen, was ich gelernt habe.

Studium in der Fremde, Bachelorarbeit zuhause