Bioabfall als wertvoller Rohstoff

Wächst unser aller Nahrungsgrundlage bald schon an der Hauswand hoch? Verbundprojektleiter und Hochschulmitarbeiter Dr. Michael Lakatos bastelt fleißig an der Zukunft. Und die Visionen des Lauterer Forschers finden Anklang: 16 Millionen Euro fließen in die Westpfalz, damit Lakatos und seine Mitstreiter erkunden können, was sich mit Algen so alles anstellen lässt.

Von Christian Hamm, Die Rheinpfalz

Vieles klingt utopisch, manches gar verwegen. Doch sind in der Westpfalz schon jetzt unzählige Mikroorganismen im Einsatz. Um sich beispielsweise an Produktionsresten der Barbarossa-Bäckerei gütlich zu tun – und „Brot-Abfall“ in hochwertigen Alkohol zu verwandeln. Michael Lakatos’ Algen „arbeiten“ bereits. Und sie erfreuen sich interessierter Beachtung in der Fachwelt. Erst recht, seit das Bundesministerium für Bildung und Forschung signalisiert hat, das Vorhaben großzügig zu fördern.

Acht Millionen Euro fließen in den kommenden drei Jahren in die Westpfalz. Noch einmal dieselbe Summe winkt für die folgenden drei Jahre, so denn erste Erkenntnisse vielversprechende Perspektiven auftun. Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, ins Blaue hinein zu experimentieren. Unterm Strich soll ein konkreter Nutzen stehen. Es gilt, nachhaltige Produkte zu entwickeln, Bioabfall beispielsweise in neuartige Biokunststoffe zu verwandeln.

Treibstoff aus Pizzaresten

Farbstoffe aus CO2 und Sonnenlicht oder auch Treibstoffe aus Pizzaresten zu gewinnen, Pflanzen zu Leder zu verarbeiten und Kunststoffe zu entwickeln, die sich selbst abbauen: Das sind weitere Stichworte, wie sich die erhofften Erkenntnisse aus westpfälzischen Laboren möglichst bald sinnvoll und gewinnverheißend umsetzen lassen. Diese Anwendungsbeispiele sind als mögliche Ziele formuliert in dem Bündnis, das sich so erfolgreich um die Forschungsmittel bemüht hat. „Waste2Value“ ist der Titel eines Projekts und gleichzeitig Name eines Bündnisses, das Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen der Region vereint.

Motoren des Vorhabens sind die Hochschule Kaiserslautern und das Prüf- und Forschungsinstitut (PFI) mit Sitz in Pirmasens. Beim Schmieden des Bündnisses und der Zuschuss-Bewerbung hat maßgeblich der Verein Zukunftsregion Westpfalz (ZRW) mitgewirkt. Bündnispartner sind neben anderen die TU, besagte Großbäckerei, aber auch Wasgau, die Brauerei Bischoff und die Firma Wagner in Nohfelden. Auch an deren Pizzen „knabbern“ Lakatos’ Bakterien übrigens schon herum.

Der seit gut 20 Jahren in Kaiserslautern beheimatete Wissenschaftler spielt bei „Waste2Value“ die Hauptrolle. Der Biologe war 2003 als Juniorprofessor an die TU gekommen und hat seit 2013 einen Lehrstuhl im Fachbereich Angewandte Logistik- und Polymerwissenschaften am Campus der Hochschule Kaiserslautern in Pirmasens inne. Spezialisiert auf Biotechnologie, hat Lakatos auf einem Sektor einen ganz neuen Weg eingeschlagen.

Mit Algen beschäftigen sich viele; Lakatos aber hatte, wie er schildert, als erster den Gedanken, das Potenzial dieser Kleinstorganismen nun abseits des Wassers auszuschöpfen. „Ich verstehe nicht, wieso vor mir noch keiner darauf gekommen ist“, wundert sich der Wissenschaftler. Algen im Wasser mit nützlichen Stoffen anzureichern, das koste ungeheuer viel Wasser und viel Energie. Lakatos hat sein Augenmerk auf terrestrische Algen gerichtet, auf Cyanobakterien („Blaualgen“), die Hitze und Trockenheit gut vertragen, sogar überall vorkommen – auf Steinen wachsen und auf dem Wandverputz für unschöne grüne Flecken sorgen. „Man braucht nur Wassernebel, schon gedeihen sie prächtig.“

„Die uralten Gesellen können so einiges“, sagt Michael Lakatos lachend. „Sie haben zum Beispiel die Photosynthese erfunden“, also den Prozess der Umwandlung von CO2 mithilfe von Wasser und Sonnenlicht zu Sauerstoff und Glucose – die Lebensgrundlage der Pflanzenwelt. Seit drei Milliarden Jahren schon existierten Algen auf der Erde, „und sie werden uns lange überdauern“.

Im Grunde seien es Bakterien. Und mit ihrer Hilfe sieht sich Lakatos in der Lage, aus organischen Resten höherwertige Stoffe zu erzeugen – genau das ist gemeint bei „Waste2Value“, auf deutsch „Abfall zu Wert“. Konkret sei es schon möglich, aus Brot- und Pizzaresten Butanol und Aceton zu gewinnen, höherwertige Stoffe also, die für kosmetische Zwecke einsetzbar seien.

Oder eben auch zur Klebstoffproduktion. Und auf die ist bei dem Forschungsvorhaben besonderes Augenmerk gerichtet. Die Geldgeber im Ministerium hat das Konzept überzeugt, wirtschaftliche Perspektiven etwa für Unternehmen der Schuhindustrie zu entwickeln. Die sollen ihre Kompetenzen in Sachen Kleb- und Kunststoffe nutzen, um sich mit neuen, auf Mikroorganismen basierenden Technologien Produktionsfelder zu erschließen.

„Stehen noch am Anfang“

Die Grundstoffe dafür mit Mikroorganismen statt auf Pflanzenbasis zu erzeugen, birgt laut Lakatos einen unschätzbaren Vorteil: Es brauche keinen großflächigen Anbau. Genau dies sei für die Lebensmittelproduktion der Zukunft von existenzieller Bedeutung: Der Klimawandel „fresse“ landwirtschaftlich nutzbare Flächen, das Bevölkerungswachstum verlange nach Lösungen.

Und schon wäre man bei Agrarflächen, die auf Hausfassaden Platz finden. Eine Utopie? „Wir stehen ja noch am Anfang. Wir sind in etwa da, wo wir in den 1970er Jahren mit der Forschung an Photovoltaikanlagen waren“, zieht Lakatos einen Vergleich. Damals hat sicher so manch Kritiker bezweifelt, dass sich irgendwann mal mit blinden Fenstern auf dem Dach das ganze Haus versorgen lässt ...

Quelle: erschienen in Die Rheinpfalz: Pfälzische Volkszeitung, Donnerstag, 06. Januar 2022; Westricher Rundschau, Freitag, 07. Januar 2022; Zweibrücker Rundschau, Samstag, 08. Januar 2022; Donnersberger Rundschau, Montag, 10. Januar 2022; Unterhaardter Rundschau, Montag, 11. Januar 2022

 

Über das Projekt hat Dr. Michael Lakatos am 19. Januar in der Landesschau des SWR-Fernsehens berichtet. Den Beitrag finden Sie hier

https://www.swrfernsehen.de/landesschau-rp/couchgespraeche/biologe-michael-lakatos-erforscht-algen-gegen-den-klimawandel-100.html

 

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